Wie ich Amerikaner wurde (2/4)
Nach 15 Jahren traf ich die Liebe meines Lebens wieder und kurz darauf zog ich im September 2009 mit einer Sporttasche, Rucksack und meinem Giro Velohelm nach Los Angeles. Tschou zämä. (Falls Du den Teil 1 verpasst hast, kannst Du dies hier nachholen.)
Nach einigen Monaten war klar, dass wir beide den Rest des Lebens gemeinsam anpacken wollen. Unsere Heirat auf Hawaii ein halbes Jahr später, startete den ganzen Auswanderungs- respektive Einwanderungsprozess.
Der erste inoffizielle Schritt hin zum Amerikaner war jedoch der Bezug meiner VONS-Shoppingkarte. Quasi das Gegenstück zu Coop Cumulus Karte. (Ähm, oder wie heisst die nochmals? Ich hab’s vergessen, aber ihr wisst was ich meine.) Diese Mitgliedskarte kriegt jedoch auch jeder Touri, insofern zählt das nur halb, aber ich erinnere mich noch gut, für mich war das eine grosse Sache.
Der Green Card-Antrag
Mit der Heiratsurkunde war ich dann berechtigt einen Antrag auf die Green-Card zu stellen. Was sich so leicht schreibt war in der Tat ein langwieriger K(r)ampf durch einen dicken Stapel Formulare. Falls Dich interessiert welche genau zu bewältigen sind, dann google nach Department of Homeland Security und G-325a, I-485, I-751 und L-765.
Ich musste quasi meine letzten Jahre im Detail belegen. Zum Beispiel durfte ich für einen 3-wöchigen Surftrip nach Fuerteventura von vor Jahren vorher eine Kopie der Boardkarte auftreiben und zur Offenlegung allfälliger Organisationszugehörigkeiten gehörte auch meine Passiv-Mitgliedschaft im Radrennclub Thun.
Na ja, Du kannst Dir in etwa vorstellen wie manche Abende ich mit dem Zusammentragen aller Unterlagen und dem Aufstöbern von alten Belegskopien verbrachte.
Sobald ich den kompletten Antrag eingereicht hatte, war dann auch fertig lustig mit reisen. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich die USA nicht mehr verlassen, oder mir wäre die Einreise verweigert worden.
Die Arbeitserlaubnis für die USA
Noch während das ganze Bewilligungsverfahren lief, erhielt ich jedoch schon mal die provisorische Arbeitsgenehmigung (Employment Authorization Card), die gleichzeitig auch eine temporäre Aufenthaltsbewilligung ist. Im Gegenzug wurde leider mein Schweizer Führerausweis nicht mehr anerkannt.
Nun hiess es also legal arbeiten und illegal Autofahren.
Dank dem Arbeitsausweis konnte ich aber meine Social Security Number lösen (quasi die AHV Nummer). Diese Nummer ist der goldene Schlüssel zu vielen Türen. Dank der SSN war ich nun berechtigt zum Beantragen eines Lernfahrausweises. Zuerst musste ich jedoch den theoretischen Teil der Fahrprüfung bestehen.
Lernen für die Drivers Licence
Ich verbrachte also meine Abende nicht mehr mit Formular-Ausfüllen, sondern mit amerikanischen Verkehrsregeln lernen. Was ich übrigens bis heute nicht ganz einsehe, ist der sogenannte 4-Way Stop. An einer Kreuzung haben alle vier Strassen ein Stop-Schild. Das führt mitunter im dichten Feierabend-Verkehr zu seltsam leeren Kreuzungen und Fahrzeuglenker, welche in Zeichensprache ungefähr folgenden Dialog führen: “You go”, “No, you go”, “No, that’s ok, you go”…
Relativ schnell habe ich mich jedoch ans rechts abbiegen bei Rot gewöhnt. Welches mich dann auch prompt bei einem Ferienbesuch in der Schweiz in Probleme brachte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Das Abenteuer mit der Kreditkarte
Das Abenteuer “Kreditkarte erhalten” war auch so eine grossartige Sache. Wenn man in der Schweiz als kreditwürdig gilt, wenn man keine Schulden hat, ist es hier in den USA gerade umgekehrt. (Oder umbekehrt? Mein Hochdeutsch leidet…)
Da ich mir jedoch soweit keine Schulden gegönnt habe, also keine “Credit history” hatte, wurde mir die Aushändigung einer Kreditkarte schlichtweg verweigert.
Als kreditwürdig gilt hier nämlich jemand, der Schulden hat UND die Raten immer pünktlich bezahlt. Dann gehen die Banken davon aus, dass auch weitere Schulden immer schön abbezahlt werden. Nötigenfalls mit noch mehr Schulden. Erst so erhält man das Plastikstück zum Glück.
Da ich aber wie gesagt keine Schulden hatte, erschien ich als äusserst zweifelhaft.
Der Trick mit dem Zahnarzt
Dank dem Trick mit dem Zahnarzt kam ich dann doch noch zu meiner Kreditkarte. Und das ging so:
Wenn man so nahe an Hollywood lebt, steigt der ästhetische Druck. Zeit also, um meine Zahnstellung zu optimieren. Dem Zahnarzt meiner Wahl habe ich gesagt, dass ich mir die Behandlung nur auf Abzahlung leisten könne. Da dieser ein gutes Geschäft natürlich nur ungern davonsegeln sah, stellte er bei seiner Geschäftsbank ein Gesuch auf den nötigen Kredit von $ 5’000 auf meinen Namen. Dieses wurde umgehend bewilligt und ich kam so zu meinen Schulden.
Nach einem Jahr pünktlichen Abzahlens der Raten, flatterten die Kreditkarten-Angebote von alleine ins Haus.
Ab zum Green Card Interview
Nachdem knapp ein halbes Jahr seit dem Antrag zur Green Card vergangen war, musste ich mit meiner Frau bei der Homeland Security antraben zum “Green Card Interview”. Ausgerüstet mit einer Kartonkiste voll Belegen, Unterlagen und Photobücher mussten wir glaubwürdig darlegen, dass wir aus Liebe geheiratet haben und das ganze keine Scheinbeziehung war.
Der Beamte hat uns unsere ewige Liebe wohl in den Augen abgelesen, denn ohne grosse Komplikationen erhielt ich ein paar Wochen später die provisorische Green Card (gültig für 2 Jahre).
Jetzt konnte ich also wieder aus- und vorallem einreisen. Und das habe ich auch getan. Einmal nach Kanada um Jürg und Therese Feldmann zu besuchen und einmal in die Schweiz, heim zu Mama von Gunten. Bei der Wiedereinreise wurde ich zwar immer gefragt, wieso denn meine Frau nicht mitreist (der Einbürgerungsbeamte muss dem Zöllner wohl jedesmal einen Tipp gegeben haben) aber sonst lief die Einreise in die USA für mich noch nie so reibungslos.
Wann ich dann die “echte” Green Card erhielt und wieso ich mich dann auch noch einbürgern lassen wollte, verrate ich im dritten Teil.
Danke fürs Lesen und bis bald,
René